§ 37c Außerklinische Intensivpflege
(1) Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf
an medizinischer Behandlungspflege haben
Anspruch auf außerklinische Intensivpflege. Ein
besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege
liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit
einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen
Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder
ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft
erforderlich ist. Der Anspruch auf außerklinische
Intensivpflege umfasst die medizinische
Behandlungspflege, die zur Sicherung des Ziels
der ärztlichen Behandlung erforderlich ist, sowie
eine Beratung durch die Krankenkasse, insbesondere
zur Auswahl des geeigneten Leistungsorts
nach
Absatz 2. Die Leistung bedarf der Verordnung
durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt,
die oder der für die Versorgung dieser
Versicherten besonders qualifiziert ist. Die verordnende
Vertragsärztin oder der verordnende Vertragsarzt
hat das Therapieziel mit dem Versicherten
zu erörtern und individuell festzustellen, bei
Bedarf unter Einbeziehung palliativmedizinischer Fachkompetenz. Bei Versicherten, die beatmet
werden oder tracheotomiert sind, sind mit jeder
Verordnung einer außerklinischen Intensivpflege
das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit
bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung
und Dekanülierung sowie die zu deren Umsetzung
notwendigen Maßnahmen zu erheben, zu dokumentieren
und auf deren Umsetzung hinzuwirken.
Zur Erhebung und Dokumentation nach Satz 6
sind auch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehmende Ärztinnen oder Ärzte oder
nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende
Krankenhäuser berechtigt; sie nehmen
zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung
teil. Der Gemeinsame Bundesausschuss
bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1
Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Oktober 2021 jeweils
für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung
des 18. Lebensjahres, für junge Volljährige,
bei denen ein Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters
weiterbesteht oder ein typisches
Krankheitsbild des Kinder- und Jugendalters neu
auftritt oder ein dem Kindesalter entsprechender
psychomotorischer Entwicklungsstand vorliegt,
und für volljährige Versicherte getrennt das Nähere
zu Inhalt und Umfang der Leistungen sowie
die Anforderungen
1. | an den besonders hohen Bedarf an medizinischer
Behandlungspflege nach Satz 2, |
2. | an die Zusammenarbeit der an der medizinischen
und pflegerischen Versorgung beteiligten
ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringer,
insbesondere zur Sicherstellung der
ärztlichen und pflegerischen Versorgungskontinuität
und Versorgungskoordination, |
3. | an die Verordnung der Leistungen einschließlich
des Verfahrens zur Feststellung des Therapieziels
nach Satz 5 sowie des Verfahrens zur
Erhebung und Dokumentation des Entwöhnungspotenzials
bei Versicherten, die beatmet
werden oder tracheotomiert sind und |
4. | an die besondere Qualifikation der Vertragsärztinnen
oder Vertragsärzte, die die Leistung
verordnen dürfen. |
(2) Versicherte erhalten außerklinische Intensivpflege
1. | in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Leistungen
nach § 43 des Elften Buches erbringen, |
2. | in Einrichtungen im Sinne des § 43a Satz 1 in
Verbindung mit § 71 Absatz 4 Nummer 1 des
Elften Buches oder Räumlichkeiten im Sinne
des § 43a Satz 3 in Verbindung mit § 71 Absatz 4 Nummer 3 des Elften Buches, |
3. | |
4. | in ihrem Haushalt oder in ihrer Familie oder
sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere
in betreuten Wohnformen, in Schulen, Kindergärten
und in Werkstätten für behinderte Menschen. |
Berechtigten Wünschen der Versicherten ist zu
entsprechen. Hierbei ist zu prüfen, ob und wie
die medizinische und pflegerische Versorgung
am Ort der Leistung nach Satz 1 sichergestellt
ist oder durch entsprechende Nachbesserungsmaßnahmen
in angemessener Zeit sichergestellt
werden kann; dabei sind die persönlichen, familiären
und örtlichen Umstände zu berücksichtigen.
Über die Nachbesserungsmaßnahmen nach Satz 3
schließt die Krankenkasse mit dem Versicherten
eine Zielvereinbarung, an der sich nach Maßgabe
des individuell festgestellten Bedarfs weitere Leistungsträger
zu beteiligen haben. Zur Umsetzung
der Zielvereinbarung schuldet die Krankenkasse
nur Leistungen nach diesem Buch. Die Feststellung,
ob die Voraussetzungen nach
Absatz 1 und
den Sätzen 1 bis 3 erfüllt sind, wird durch die
Krankenkasse nach persönlicher Begutachtung
des Versicherten am Leistungsort durch den Medizinischen
Dienst getroffen. Die Krankenkasse
hat ihre Feststellung jährlich zu überprüfen und
hierzu eine persönliche Begutachtung des Medizinischen
Dienstes zu veranlassen. Liegen der
Krankenkasse Anhaltspunkte vor, dass die Voraussetzungen
nach
Absatz 1 und den Sätzen 1 bis 3
nicht mehr vorliegen, kann sie die Überprüfung
nach Satz 7 zu einem früheren Zeitpunkt durchführen.
Ist die Feststellung nach Satz 6 oder die
Überprüfung nach den Sätzen 7 und 8 nicht möglich,
weil der oder die Versicherte oder eine andere
an den Wohnräumen berechtigte Person sein oder
ihr Einverständnis zu der nach den Sätzen 6 bis 8
gebotenen Begutachtung durch den Medizinischen
Dienst in den Wohnräumen nicht erteilt hat,
so kann in den Fällen, in denen Leistungen der
außerklinischen Intensivpflege an einem Leistungsort
nach Satz 1 Nummer 3 oder Nummer 4
erbracht oder gewünscht werden, die Leistung an
diesem Ort versagt und der oder die Versicherte
auf Leistungen an einem Ort im Sinne des Satzes 1
Nummer 1 oder Nummer 2 verwiesen werden.
(3) Erfolgt die außerklinische Intensivpflege in
einer vollstationären Pflegeeinrichtung, die Leistungen
nach § 43 des Elften Buches erbringt, umfasst
der Anspruch die pflegebedingten Aufwendungen
einschließlich der Aufwendungen für die
Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in der Einrichtung
unter Anrechnung des Leistungsbetrags
nach § 43 des Elften Buches, die betriebsnotwendigen
Investitionskosten sowie die Entgelte für
Unterkunft und Verpflegung nach § 87 des Elften
Buches. Entfällt der Anspruch auf außerklinische
Intensivpflege auf Grund einer Besserung des Gesundheitszustandes,
sind die Leistungen nach
Satz 1 für sechs Monate weiter zu gewähren,
wenn eine Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades 2,
3, 4 oder 5 im Sinne des § 15 Absatz 3 Satz 4
Nummer 2 bis 5 des Elften Buches festgestellt ist.
Die Krankenkassen können in ihrer Satzung bestimmen,
dass die Leistungen nach Satz 1 unter
den in Satz 2 genannten Voraussetzungen auch
über den in Satz 2 genannten Zeitraum hinaus
weitergewährt werden.
(4) Kann die Krankenkasse keine qualifizierte
Pflegefachkraft für die außerklinische Intensivpflege
stellen, sind dem Versicherten die Kosten
für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft in angemessener
Höhe zu erstatten. Die Möglichkeit der
Leistungserbringung im Rahmen eines persönlichen
Budgets nach
§ 2 Absatz 2 Satz 2,
§ 11
Absatz 1 Nummer 5 des Fünften Buches in
Verbindung mit
§ 29 des Neunten Buches bleibt
davon unberührt.
(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet
haben, leisten als Zuzahlung an die Krankenkasse
den sich nach
§ 61 Satz 2 ergebenden
Betrag, begrenzt auf die ersten 28 Kalendertage
der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr.
Versicherte, die außerklinische Intensivpflege an
einem Leistungsort nach
Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 erhalten und die das 18. Lebensjahr vollendet
haben, leisten als Zuzahlung an die Krankenkasse
abweichend von Satz 1 den sich nach
§ 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die
für die ersten 28 Kalendertrage der Leistungsinanspruchnahme
je Kalenderjahr anfallenden Kosten.
(6) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen
legt über das Bundesministerium für Gesundheit
dem Deutschen Bundestag bis Ende des
Jahres 2026 einen Bericht über die Erfahrungen
mit der Umsetzung des Anspruchs auf außerklinische
Intensivpflege vor. Darin sind insbesondere
aufzuführen:
1. | die Entwicklung der Anzahl der Leistungsfälle, |
2. | Angaben zur Leistungsdauer, |
3. | Angaben zum Leistungsort einschließlich Angaben
zur Berücksichtigung von Wünschen
der Versicherten, |
4. | Angaben zu Widerspruchsverfahren in Bezug
auf die Leistungsbewilligung und deren Ergebnis
sowie |
5. | |