3.5 „1000-Punkte-Regelung“
Für einige gefährliche Güter sind Erleichterungen von Beförderungsvorschriften
möglich, wenn bestimmte Mengen nicht überschritten werden.
Achtung:Die Höchstmengen beziehen sich auf ein Fahrzeug oder auf die „Beförderungseinheit“,
bestehend aus Fahrzeug und Anhänger.
Es dürfen nur in Versandstücken verpackte gefährliche Güter nach der 1000-Punkte-Regelung befördert werden. Unter Versandstücken sind auch Großverpackungen,
Großpackmittel (IBC) und Druckgefäße für Gase zu verstehen. Tanks, Tankcontainer
und Gefahrgut in loser Schüttung sind keine Versandstücke!
Die Versandstücke müssen korrekt gekennzeichnet sein, d. h. in der Regel mit
UN-Nummer, Gefahrzettel, evtl. Kennzeichen für umweltgefährdende Stoffe
und evtl. Ausrichtungspfeilen auf zwei gegenüberliegenden Seiten.
Gefährliche Güter sind einer Beförderungskategorie zugeordnet (
Kapitel 3.2 ADR,
Tabelle A, Spalte 15). Es gibt die Beförderungskategorien 0, 1, 2, 3 und 4.
Mit dieser Information kann die höchstzulässige Gesamtmenge
60) je Beförderungseinheit
einfach aus Tabelle 2 abgelesen werden. Wenn Gefahrgut einer Beförderungskategorie befördert wird, kann die höchstzulässige Gesamtmenge so
einfach ermittelt werden.
Tabelle 2: Höchstzulässige Gesamtmenge je Beförderungseinheit
Beförderungskategorie | Höchstzulässige Gesamtmenge je Beförderungseinheit |
0 | 0 |
1 | 20 [50*)] |
2 | 333 |
3 | 1000 |
4 | unbegrenzt |
Ungereinigte leere Verpackungen61), die Stoffe der Beförderungskategorie 0 enthalten
haben, werden ebenfalls der Beförderungskategorie 0 zugeordnet. Ungereinigte
leere Verpackungen, die Stoffe anderer Beförderungskategorien enthalten
haben, werden der Beförderungskategorie 4 zugeordnet.
Beispiel 1Benzin (UN 1203, Klasse 3, Verpackungsgruppe II) ist der Beförderungskategorie 2 zugeordnet. Für die Beförderungskategorie 2 beträgt die höchstzulässige
Gesamtmenge je Beförderungseinheit 333 Liter nach
Tabelle 1.
Bei der Beförderung
mehrerer Gefahrgüter verschiedener Beförderungskategorien
muss die zu befördernde Menge mit dem zutreffenden Faktor nach
Tabelle 3
multipliziert werden.
Die Ergebnisse für die verschiedenen Gefahrgüter werden anschließend addiert.
Wenn als Ergebnis die Zahl 1000 nicht überschritten wird, können die Erleichterungen
angewendet werden.
Tabelle 3: Multiplikationsfaktoren bei der Beförderung von Gefahrgütern verschiedener
Beförderungskategorien
Beförderungskategorie | Multiplikationsfaktor (F) |
0 | – |
1 | 50 [20*)] |
2 | 3 |
3 | 1 |
4 | – |
Wird die Zahl 1000 überschritten, können diese Erleichterungen nicht in
Anspruch genommen werden. Aus dem Grund wird diese Art von Freistellung
in der Praxis als „1000-Punkte-Regelung“ bezeichnet.
Beispiel 2
Es sollen 20 kg Acetylen (gelöst), 50 Liter Stickstoff (verdichtet) und 50 Liter Sauerstoff
(verdichtet) befördert werden.
UN-Nr. | Bezeichnung | Bef.-
Kat. | Multiplikationsfaktor | zu
befördernde
Menge | berechneter
Wert |
1001 | Acetylen, gelöst | 2 | 3 | 20 kg | 60 |
1066 | Stickstoff, verdichtet | 3 | 1 | 50 l | 50 |
1072 | Sauerstoff, verdichtet | 3 | 1 | 50 l | 50 |
→ erleichterter Transport | 160 |
Der berechnete Wert von 160 unterschreitet die maximale Summe von 1000. Die „1000-Punkte-Regelung“ kann für diese Gefahrgüter angewendet werden.
Beispiel 3
Es sollen 50 kg Aerosoldosen („Druckgaspackungen“) mit einem erstickenden
Stoff, 15 kg Aerosoldosen mit einem entzündbaren, ätzenden Stoff, 20 kg Propan
und 10 kg Butan befördert werden.
UN-Nr. | Bezeichnung | Bef.-
Kat. | Multiplikationsfaktor | zu
befördernde
Menge | berechneter
Wert |
1978 | Propan | 2 | 3 | 20 kg | 60 |
1011 | Butan | 2 | 3 | 10 kg | 30 |
1950 | Druckgaspackungen,
erstickend | 3 | 1 | 50 kg | 50 |
1950 | Druckgaspackungen,
entzündbar, ätzend | 1 | 50 | 15 kg | 750 |
→ erleichterter Transport | 890 |
Auch hier ist der berechnete Wert von 890 kleiner als 1000 Punkte. Erleichterungen,
die im Folgenden beschrieben werden, dürfen folglich in Anspruch genommen
werden.
Gefahrgüter, die, wie in den Abschnitten 3.1 bis 3.4 beschrieben, freigestellt befördert
werden, werden in dieser Berechnung nicht berücksichtigt.
Fußnote 60)Die „Höchstzulässige Gesamtmenge je Beförderungseinheit“ bedeutet:
für Gegenstande die Bruttomasse in Kilogramm (für Gegenstande der Klasse 1 die Nettomasse
des explosiven Stoffes in Kilogramm; für gefährliche Güter in Geräten und Ausrüstungen, die
in der entsprechenden Anlage des
ADR näher bezeichnet sind, die Gesamtmenge der darin
enthaltenen gefährlichen Güter in Kilogramm bzw. in Liter),
für feste Stoffe, verflüssigte Gase, tiefgekühlt verflüssigte Gase und gelöste Gase die Nettomasse
in Kilogramm,
für flüssige Stoffe die Gesamtmenge der enthaltenen gefährlichen Güter in Litern,
für verdichtete Gase und Chemikalien unter Druck der mit Wasser ausgeliterte Fassungsraum
des Gefäßes in Litern.
Fußnote *)bei Anwendung der Fußnote a der Tabelle in 1.1.3.6.3
ADR
Fußnote 61)Die ungereinigten leeren Verpackungen müssen in einem ordnungsgemäßen Zustand und verschlossen
sein. Eine erneute Verpackung ist nur dann erforderlich, wenn die ungereinigten
leeren Verpackungen beispielsweise undicht oder erheblich beschädigt sind.
Fußnote *)bei Anwendung der Fußnote a der Tabelle in 1.1.3.6.3
ADR
3.5.1 Erleichterungen bei Anwendung
der „1000-Punkte-Regelung“
Folgende Erleichterungen sind bei Einhaltung der „1000-Punkte-Regelung“ möglich:
Gefahrgutbeauftragter
Unternehmen, die ausschließlich Beförderungen gefährlicher Güter in Mengen
unterhalb der „1000-Punkte-Regelung“ durchführen, sind von der Bestellung
von Gefahrgutbeauftragten befreit.
SicherungSofern es sich nicht um bestimmte „Explosive Stoffe“ und „Gegenstände mit
Explosivstoff“ handelt, sind die Vorschriften für die Sicherung
(1.10 ADR) nicht
anzuwenden.
Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände
Das Fahrzeug muss nicht nach den Gefahrgutvorschriften zugelassen und ausgerüstet
sein, aber ein 2-kg-Feuerlöscher muss mitgeführt werden.
Schriftliche Weisungen
Die schriftlichen Weisungen brauchen nicht mitgeführt zu werden.
Ausbildung der Fahrer und FahrerinnenDie Fahrerin oder der Fahrer muss nicht besonders geschult sein (keine ADR-Schulungsbescheinigung),
eine Unterweisung ist jedoch erforderlich (siehe
Abschnitt 2.11).
Personenbeförderung
Personen, die nicht Mitglieder der Fahrzeugbesatzung sind, dürfen mitfahren.
Kennzeichnung der Fahrzeuge
Die Fahrzeuge müssen nicht mit der orangefarbenen Tafeln, Großzetteln
(Placards), Kennzeichen für erwärmte Stoffe und Kennzeichen für umweltgefährdende
Stoffe versehen sein.
Besondere BedingungenDa die Fahrzeuge nicht kennzeichnungspflichtig sind, muss das Verkehrsverbotszeichen
261
62) „Verbot für kennzeichnungspflichtige Kraftfahrzeuge mit gefährlichen
Gütern“ nicht beachtet werden.
Fußnote 62)Anlage 2, Abschnitt 6 der StVO, siehe Literaturverzeichnis Nr.
(22)
3.5.2 Einzuhaltende Vorschriften bei Anwendung
der „1000-Punkte-Regelung“
Folgende Gefahrgutvorschriften müssen eingehalten werden:
Verpackung
Es müssen bauartgeprüfte (UN-codierte) Verpackungen verwendet werden, die
entsprechend den Herstellerangaben verschlossen sind. Zur Verwendungsdauer
von Kunststoffverpackungen siehe
Abschnitt 2.4.
Kennzeichnung und Bezettelung der Versandstücke
Das Versandstück wird, wie bei der regulären Beförderung, mit der UN-Nummer,
Gefahrzetteln, ggf. Kennzeichen für umweltgefährdende Stoffe und ggf.
Ausrichtungspfeilen versehen.
UnterweisungAlle an der Beförderung beteiligten Personen müssen nach
ADR unterwiesen
sein (siehe
Abschnitt 2.11).
Feuerlöschmittel
Mindestens ein tragbares Feuerlöschgerät mit einem Mindestfassungsvermögen
von 2 kg Pulver muss mitgeführt werden. Dieses Feuerlöschgerät muss in
zweijährigen Abständen geprüft und mit dem Datum der nächsten Prüfung oder
dem Datum des Ablaufs der höchstzulässigen Nutzungsdauer versehen werden.
BegleitpapiereEin Beförderungspapier, siehe Muster in
Anhang 1, ist mitzuführen. In
diesem sind für jede Beförderungskategorie die Gesamtmenge Gefahrgut
und der berechnete Wert (Punktzahl) der gefährlichen Güter anzugeben.
Bei Beförderungen in Deutschland kann auf das Beförderungspapier verzichtet
werden, wenn die gefährlichen Güter nur für eigene Zwecke befördert werden
oder das Gefahrgut nicht an andere Unternehmen/Kunden weitergegeben
wird und keine anderen Ausnahmen angewendet werden.63) |
Beladen, Entladen, HandhabungWeitere besondere Vorschriften sind einzuhalten:
Vorsichtsmaßnahmen bei Nahrungs-, Genuss- und Futtermitteln
65)Reinigung vor dem Beladen
Handhabung und Verstauung (Ladungssicherung)
Reinigung nach dem Entladen
Rauchverbot
Versandstücke dürfen durch den Fahrer/die Fahrerin oder Beifahrer/in nicht
geöffnet werden.
Explosive Stoffe
Beim Beladen, Entladen und
bei der Beförderung von Stoffen
und Gegenständen der Klasse 1
ist Rauchen sowie der Umgang
mit Feuer und offenem Licht verboten.
GaseBei der Beförderung von Gasen
(z. B. UN 1001 Acetylen) ist auf
eine ausreichende Belüftung
des Fahrzeugs zu achten, siehe
Abschnitt 2.13.
Abbildung 22: Eine Unterweisung
im Hinblick auf die Gefahrgutvorschriften
ist Pflicht

Fußnote 63)Ausnahme 18 der GGAV (Gefahrgutausnahmeverordnung), siehe
Abschnitt 3.7 bzw. Literaturverzeichnis
Nr.
(13)